„Wie lange wird es dauern?“
Diese Frage stellen sich viele werdende Eltern – und bekommen meist eine durchschnittliche Zahl genannt. Doch: Geburt ist kein planbares Ereignis. Sie ist ein individueller Prozess, der Zeit braucht – und vor allem eines: Vertrauen.
1. Die drei Phasen der Geburt – und ihre ungefähre Dauer
Klassischerweise wird die Geburt in drei Phasen unterteilt:
- Eröffnungsphase:
Die Zeit vom Beginn regelmäßiger Wehen bis zur vollständigen Öffnung des Muttermundes (ca. 10 cm).
Bei Erstgebärenden dauert sie im Schnitt 8–14 Stunden, bei Mehrgebärenden oft deutlich kürzer (Römer, 2020). - Austreibungsphase:
Die eigentliche Geburt des Babys. Diese Phase dauert bei Erstgebärenden durchschnittlich 30 Minuten bis 2 Stunden – bei Mehrgebärenden oft nur 20 bis 60 Minuten (Dudenhausen, 2020). - Nachgeburtsphase:
Die Plazenta wird geboren. Dies geschieht meist innerhalb von 5 bis 30 Minuten (WHO, 2018).
💡 Insgesamt kann eine Geburt wenige Stunden oder auch über einen Tag dauern – beides ist normal.
2. Jede Geburt folgt ihrem eigenen Rhythmus
So unterschiedlich wie Frauen sind, so unterschiedlich verlaufen auch Geburten.
Einige Geburten verlaufen schnell und kraftvoll. Andere sind sanft und dauern ihre Zeit. Beides ist richtig.
„Die Geburt verläuft in einem individuellen, nicht-linearen Muster, das nicht pauschalisiert werden darf. Interventionen sollten nicht auf Zeitdruck, sondern auf medizinischer Notwendigkeit beruhen.“
(National Institute for Health and Care Excellence – NICE, 2017)
Was oft vergessen wird: Auch die Gebärmutter braucht Zeit, um ihren Rhythmus zu finden. Das Baby muss sich optimal ins Becken drehen, die Hormone müssen wirken, das Gewebe sich vorbereiten.
3. Wenn Zeit zum Risiko wird – und zu frühe Eingriffe schaden
In vielen Kliniken herrscht ein starker Zeitdruck. Wird eine Geburt als „zu lang“ angesehen, wird häufig eingegriffen: mit Wehenmitteln, Fruchtblasensprengung, Dammschnitt oder Kaiserschnitt.
Doch Studien zeigen:
Zu frühes Eingreifen erhöht das Risiko für Komplikationen.
„Eine vorschnelle Diagnose von Geburtsstillstand führt häufig zu unnötigen Interventionen, obwohl ein langsamer Geburtsverlauf physiologisch völlig normal sein kann.“
(American College of Obstetricians and Gynecologists – ACOG, 2014)
Medizinisch wird heute davon ausgegangen, dass erst bei über 18 Stunden Eröffnungsphase ohne Fortschritt von einem Geburtsstillstand gesprochen werden sollte – und selbst dann nur, wenn keine Verbesserung sichtbar ist (WHO, 2018).
4. Warum es völlig in Ordnung ist, wenn Geburt länger dauert
Eine langsame Geburt bedeutet nicht, dass etwas falsch läuft. Im Gegenteil:
Zeit ermöglicht Vertrauen, hormonelle Entfaltung, Entspannung und Integration.
- Oxytocin (das Wehen- und Bindungshormon) fließt nur unter Bedingungen von Sicherheit und Ruhe.
- Endorphine, die natürlichen Schmerzmittel des Körpers, brauchen Entspannung.
- Das vegetative Nervensystem reguliert sich nicht auf Kommando – es reagiert auf Atmosphäre, Berührung, Worte und Präsenz.
Wenn Geburten sich „ziehen“, dann oft, weil die Frau mehr Raum braucht – nicht mehr Eingriffe!
5. Fazit: Geburt ist keine Uhrzeit – sondern ein natürlicher Prozess
Geburt braucht Zeit. Vertrauen. Schutz. Und das Wissen, dass „langsam“ nicht gleich „gefährlich“ ist.
Ein Kind wird nicht „zu spät“ geboren, wenn der Körper noch nicht bereit ist.
Eine Geburt ist nicht „gestört“, nur weil sie nicht in einen Zeitplan passt.
✨ Was sie braucht, ist Respekt vor dem individuellen Rhythmus.
Denn echte Sicherheit entsteht nicht durch Kontrolle, sondern durch Vertrauen.
Literaturverzeichnis (APA-Stil):
- ACOG – American College of Obstetricians and Gynecologists. (2014). Obstetric Care Consensus: Safe Prevention of the Primary Cesarean Delivery. Obstetrics & Gynecology, 123(3), 693–711.
- Dudenhausen, J. W. (2020). Geburtshilfe und Perinatalmedizin. Springer Medizin.
- NICE – National Institute for Health and Care Excellence. (2017). Intrapartum care for healthy women and babies (Clinical guideline CG190).
- Römer, T. (2020). Praxis der Geburtshilfe. Elsevier.
- WHO – World Health Organization. (2018). Intrapartum care for a positive childbirth experience. Geneva: WHO Press.
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