Warum mentale Geburtsvorbereitung und Bewusstwerdungsarbeit der Schlüssel zu einer kraftvollen Geburt ist
Die natürliche Geburt eines Kindes ist eines der tiefgreifendsten Ereignisse im Leben einer Frau. Meistens wird davon ausgegangen, dass dieser Prozess rein körperlich ist und so gut wie nicht beeinflussbar. Viele Frauen beschäftigen sich vor der Geburt mit Geburtspositionen, Atemtechniken und mit dem Geburtsplan … und hoffen unbewusst auf das Beste. Was Frauen nicht bewusst gemacht wird: der Geburtsprozess ist beeinflussbar (durch unterschiedliche Faktoren), wobei die innere Haltung von entscheidender Bedeutung ist.
Neurowissenschaftliche Erkenntnisse zeigen: Bis zu 95 % unserer täglichen Reaktionen, Leibesvorgänge und Entscheidungen laufen unbewusst ab (Lipton, 2005; Eagleman, 2011). Während der Geburt übernimmt das vegetative Nervensystem – es regelt, was sich willentlich nicht steuern lässt: Geburtswellen, Hormonausschüttung, Muskelreflexe, Kreislauf.
Was bedeutet das für die Geburt?
Dass nicht Wissen oder Technik den Geburtsverlauf bestimmen, sondern der innere Zustand der Frau – ihre emotionale Verfassung, ihr Vertrauen, ihre Gedanken, ihr Nervensystem.
Die innere Haltung wirkt direkt auf das Unterbewusstsein – und damit auf den Leib!
Ist eine Frau ängstlich, angespannt oder voller Zweifel, signalisiert ihr Nervensystem Gefahr.
Die Folge: Adrenalin wird ausgeschüttet, Muskeln verkrampfen, der Geburtsverlauf kann ins Stocken geraten.
Deshalb sind die innere Haltung und mentale Stärke kein Randaspekt – sie sind der Schlüssel!
Sie entscheidet, ob der Leib sich öffnet oder verschließt.
Ob Geburt als Kraftakt oder als Hingabe erlebt wird.
Und genau hier setzt die mentale Geburtsvorbereitung an:
Sie schafft das innere Fundament, auf dem eine selbstbestimmte, friedvolle und kraftvolle Geburt möglich wird.
Unbewusste Prägungen: Wie frühe Erfahrungen die Geburt beeinflussen
Unsere inneren Haltungen und Reaktionen während der Geburt
werden maßgeblich von tief verankerten, unbewussten Erinnerungen, Überzeugungen und Erfahrungen beeinflusst.
Oft ist uns nicht bewusst, dass wir bereits vor unserer eigenen Geburt geprägt wurden.
Erlebnisse aus der Zeit im Mutterleib, die eigene Geburt oder emotionale Zustände unserer Mutter – all das wird im sogenannten Zellbewusstsein und im limbischen System gespeichert. Dieses System verarbeitet Emotionen, Stress und Bindungserfahrungen – und es ist während der Geburt besonders aktiv.
Wenn wir selbst unter schwierigen Umständen geboren wurden oder bereits eine schwierige Geburt erlebt haben – z. B. unter Zeitdruck, mit medizinischen Eingriffen, nicht bindungsorientiert – speichert unser Nervensystem diese Erfahrung als „Geburtsmuster“ ab.
Während des Geburtsprozesses werden diese unbewussten „negativen“ Muster abgerufen – als Angst, Enge, Kontrollbedürfnis oder das Gefühl, „nicht durchzukommen“.
Die pränatale Psychologie (u. a. Thomas Verny, David Chamberlain) und die Epigenetik (u. a. Bruce Lipton) zeigen:
Was unbewusst in uns wirkt, steuert unser Erleben – solange es nicht bewusst gemacht und neu ausgerichtet wird.
Das bedeutet:
Wenn alte Geburtsprägungen nicht erkannt und transformiert werden, können sie sich unbewusst im eigenen Geburtserlebnis wiederholen.
Doch genau hier liegt die Chance:
Durch gezielte mentale Geburtsvorbereitung – z. B. durch Bewusstwerdungsarbeit, Visualisierungen, innere Neuprogrammierung und Embodiment-Arbeit – kann das Nervensystem neue, sichere Erfahrungen abspeichern.
Die Frau geht dann nicht mehr mit einem „alten Skript“ in die Geburt, sondern mit einem inneren Bild von Klarheit, Vertrauen und Selbstwirksamkeit.
Geburt wird nicht von der Vergangenheit gesteuert,
sondern von der inneren Haltung im Jetz!
Der Leib weiß, wie Geburt geht
Der Leib ist mehr als nur die physische Anatomie. Er erinnert sich, er fühlt, er reagiert – schneller als der Verstand. Während der Geburt braucht der Leib Raum, Ruhe und Vertrauen.
Doch in einer Welt, in der Leistung und Kontrolle oft über allem stehen, fällt es vielen Frauen schwer, sich hinzugeben. Der Wunsch alles richtigzumachen oder den Erwartungen zu entsprechen, führt zu Anspannung, Kontrolle – und genau das blockiert den natürlichen Geburtsablauf.
Der französische Geburtsarzt Michel Odent betont:
„Wenn eine Frau in der Lage ist, sich während der Geburt von ihrem neokortikalen Denken zu lösen, übernimmt der Körper. Dann wird Geburt instinktiv, weich, kraftvoll.“
Schmerz ist nicht gleich Schmerz
Viele Frauen fürchten einen Schmerz während der Gebrut – oft ohne ihn je erlebt zu haben. Doch: Schmerz ist nicht gleich Leiden.
Schmerz ist zunächst eine Empfindung, ein Signal des Leibes. Er entsteht, wenn sich Gewebe verändert, Muskeln arbeiten, Druck aufgebaut wird – z. B. bei den Geburtswellen.
Gleichzeitig ist Schmerz ein Botschafter. Er signalisiert: „Etwas braucht deine Aufmerksamkeit.“ In der Geburt kann das bedeuten: Die Position stimmt nicht. Der Körper ist angespannt. Etwas blockiert den Fluss.
Wenn dieses Signal ernst genommen wird, kann sich durch eine kleine Veränderung – eine neue Haltung, eine andere Bewegung, bewusster Atem oder das bewusste Zulassen von Geräuschen – das gesamte Gefühl verändern. Was eben noch als schmerzhaft empfunden wurde, kann sich in Weichheit und ein angenehmes Gefühl verwandeln.
Schmerz zeigt uns den Weg – wenn wir hinhören. Leiden entsteht, wenn wir dagegen ankämpfen!
Eine Geburt muss nicht „schmerzhaft“ im leidvollen Sinne sein. Mit der richtigen mentalen und körperlichen Vorbereitung kann sie intensiv, kraftvoll, tiefgehend sein – aber auch getragen, durchlässig, sogar lustvoll.
Viele Frauen berichten nach einer bewussten Geburt:
- „Ich habe den Schmerz gespürt, aber ich hatte keine Angst davor.“
- „Es war wie eine Welle, nicht wie ein Angriff.“
- „Ich wusste, dass mein Leib genau das tun wollte.“
Die mentale Vorbereitung: der unerkannte Schlüssel
Mentale Geburtsvorbereitung bedeutet, das innere System auf Geburt auszurichten. Nicht nur Wissen anzuhäufen – sondern unterbewusste Muster zu verändern bzw. auszurichten.
Wenn alte Bilder, Ängste oder negative Erfahrungen unbewusst im Nervensystem gespeichert sind – angefangen beim eigenen Geburtserlebnis!-, reagiert der Leib mit Stress: Adrenalin hemmt die Wehentätigkeit, der Muttermund öffnet sich nicht, der Geburtsverlauf stockt.
Mentale Vorbereitung wirkt hier gezielt:
- durch Visualisierungen und positive Imagination
- durch Atem- und Leibesübungen zur Regulation des Nervensystems
- durch Rituale und Gespräche zur inneren Ausrichtung
- durch Bewusstwerdung und Loslassen
So entsteht nicht nur ein klares Wissen, sondern ein tiefes, leibliches Vertrauen: in den eigenen Rhythmus, in die Kraft des Körpers, in die Verbindung zum Baby.
Ein Vergleichsbeispiel: Geburt ist wie ein Marathon
Stell dir vor, du bereitest dich auf einen Marathon vor – aber du trainierst nur deine Muskeln. Du kennst die Strecke, die Technik, die Kleidung – aber du hast nie geübt, was dein Kopf tun wird, wenn es anstrengend wird.
Was passiert? Schon bei Kilometer 10 beginnen Zweifel, Stress, Verkrampfung. Obwohl dein Körper vorbereitet ist, ist dein Geist nicht bereit.
Bei der Geburt ist es ähnlich: Wer sich nur körperlich vorbereitet, aber mental in alten Ängsten verhaftet bleibt, erlebt mehr Anspannung, Schmerz, Kontrollverlust. Wer mental klar, verbunden und innerlich ausgerichtet ist, kann mit dem Leib fließen – und nicht gegen ihn kämpfen.
Geburt darf weich, entspannt und zugleich kraftvoll sein
Geburt ist nicht etwas, das „gemacht“ werden muss oder einfach „passiert“. Sie ist ein natürlicher Vorgang – wenn man ihn lässt.
Und genau das ist der Kern der mentalen Geburtsvorbereitung:
- Sich bewusst machen, was unbewusst wirkt.
- Angst in Vertrauen verwandeln.
- Den Leib nicht nur als Werkzeug, sondern als Weisheitsträger erleben.
Eine Frau, die innerlich ausgerichtet ist, gebiert – aktiv, wach, kraftvoll, bewusst. Und erlebt sich selbst in ihrer ganzen Stärke.
Fazit
Du kannst noch so gut vorbereitet sein – während der Geburt greifen Prozesse, die – wenn du NICHT durch mentale als auch Bewusstseinsarbeit vorbereitet bist – greifen und dich überrollen werden. Doch du kannst dieses Unbewusste bewusst vorbereiten.
Durch mentale Geburtsvorbereitung und Bewusstseinsarbeit legst du gezielt die nötige Grundlage für eine erfüllende, entspannte und bestärkende Geburt. Du legst den Grundstein für den besten Start, den dein Kind in diese Welt bekommen kann.
Nicht Schmerzvermeidung ist das Ziel – sondern mentale Stärke, Resilienz, Verbindung und vor allem Hingabe. Denn wenn du innerlich gut vorbereitet bist, brauchst du keine Kontrolle. Du hast dein Vertrauen, das dich trägt und schützt.
Literaturverzeichnis
- Lipton, B. H. (2005). The Biology of Belief: Unleashing the Power of Consciousness, Matter & Miracles. Hay House.
- Eagleman, D. (2011). Incognito: The Secret Lives of the Brain. Pantheon.
- Odent, M. (2003). Die Geburtswelle: Die natürliche Geburt als Schlüssel zur Evolution. Kösel.
- Gaskin, I. M. (2003). Die selbstbestimmte Geburt. Kösel.
- Simkin, P., & Bolding, A. (2004). “Update on nonpharmacologic approaches to relieve labor pain and prevent suffering.” Journal of Midwifery & Women’s Health, 49(6), 489–504.
- Schmid, V. (2012). Hebammengeleitete Geburtshilfe: Grundlagen und Praxis. Springer.
- Jantsch, A. (2020). Körper, Leib und Geburt: Eine leibphänomenologische Perspektive. Universitätsverlag Winter.