In letzter Zeit begegnet einem immer häufiger der Begriff „Bauchgeburt“.
Er taucht auf in Geburtsvorbereitungskursen, auf Social Media, in Gesprächen zwischen Müttern. Und er klingt so viel sanfter als „Kaiserschnitt“. Fast schon poetisch.
Und genau hier liegt aus meiner Sicht das Problem.
Im ersten Moment wirkte die Bezeichnung „Bauchgeburt“ für mich wie eine schöne Alternative. Sie klingt nach Nähe und nach Natürlichkeit.
Doch diese sprachliche Verschiebung hat einen Preis – denn sie verändert unsere Wahrnehmung.
Doch was macht diese sprachliche Verschiebung mit unserem Verständnis von Geburt? Welche Folgen hat es, wenn wir Operation und natürlichen Vorgang nicht mehr klar unterscheiden (für uns und die folgenden Generationen)? Und warum ist es gerade jetzt so wichtig, sprachlich bewusst zu differenzieren?
Lass uns diese Fragen in diesem Artikel genauer beleuchten – mit einem kritischen Blick auf Sprache, Realität und die Zukunft der natürlichen Geburt.
Ein Eingriff, der für Notfälle gedacht ist
Ein Kaiserschnitt kann – und das betone ich – eine rettende Maßnahme sein.
Er kann Leben bewahren, wenn wirkliche Gefahr besteht – wie es bei mir vor Jahren der Fall war!
Aber er ist und bleibt eine Operation.
Laut WHO ist eine maximale Kaiserschnittrate zwischen 10-15% angeraten. In Deutschland wird dieser Eingriff allerdings häufig als „selbstverständliche“ und sicherere Alternative zur natürlichen Geburt angeboten. Und das, ohne jegliche notwendige Indikationen.
Über all die Risiken für Mutter, Kind und spätere Schwangerschaften, wird nicht gesprochen.
Der Kaiserschnitt bleibt ein Geburtsweg, bei dem die natürlichen hormonellen Prozesse – allen voran das Oxytocin-getragene Bonding – unterbrochen werden oder gar nicht erst stattfinden. Auch wird nicht das für ein starkes Immunsystem benötigte Mikrofilm der Mutter auf das Neugeborene übertragen (Odent, 2003; Davis & Pascali-Bonaro, 2010).
Ich selbst habe nach jedem Kaiserschnitt gespürt, wie sehr mir die Verbindung zu meinem Leib, zu meinem Baby und zu meiner Kraft gefehlt hat. Außerdem habe ich bei meinen Kindern gravierende Unterschiede festgestellt – die drei, die per Kaiserschnitt zur Welt gekommen sind, waren in ihren ersten Lebensjahren beinahe dauerkrank. Ständige Mittelohrentzündungen, Grippalinfekte, Hand-Mund-Fuss, Windpocken und so weiter – es war kein Spaß! Unsere Zwillinge hingegen – natürlich auf die Welt gekommen – waren in ihren bisherigen fünfeinhalb Lebensjahren vielleicht fünf mal krank – und das eher mit kaum erwähnenswerten Dingen wie Bauchschmerzen, Übelkeit oder mal eine verstopfte Nase.
Ein Fallbeispiel, dass mich etwas traurig gestimmt hat
Vor kurzem las ich den Kommentar einer Frau, die ihre sogenannte „Bauchgeburt“ auf Social Media über alles lobte. Sie schrieb, wie schön diese Geburt war – und wie sehr sie diesen Weg liebte, vor allem im Vergleich zu ihrer ersten, natürlichen Geburt, die sie als furchtbar und schmerzhaft erlebt hatte.
Ich kenne diese Frau nicht, auch nicht ihre ganze Geschichte. Aber vieles deutet darauf hin, dass ihre erste, natürliche Geburt sehr wahrscheinlich im Krankenhaus stattgefunden hat – vermutlich mit künstlicher Einleitung, medizinischen Eingriffen, vielleicht unter Zeitdruck und Kontrolle.
Dieses Beispiel veranschaulicht meine Sorge auf eindrückliche Weise: Statt das Erlebte aufzuarbeiten, den Schmerz zu verstehen, sich mit der Tiefe der natürlichen Geburt auseinanderzusetzen und zu reflektieren, was hätte anders laufen müssen – wird der operative Eingriff zur Erlösung erklärt.
Nicht die natürliche Geburt an sich ist das Problem. Sondern die Umstände, die Vorbereitung und das System, in das viele Frauen hineingeraten.
Ein System, das eine entspannte, würdevolle, lustvolle Geburt fast unmöglich macht.
Doch diese Unterscheidung wird kaum gemacht. Das Thema ist für diese Frau abgehakt.
Mit ihrer Geschichte wird sie nun vermutlich vielen Erstgebärenden erzählen, dass die „Bauchgeburt“ einfacher, schöner und sicherer ist – und sie wird damit überzeugen, denn die Bilder und Szenen, die über die natürliche Geburt massenhaft verbreitet werden, unterstreichen dies. Diese Frau wird auch – falls sie eine Tochter hat – ihre Tochter davon überzeugen, den geplanten, operativen Weg zu gehen. Und das, ohne je verstanden zu haben, dass es nicht die natürliche Geburt selbst war, die sie verletzt hat.
Was sie – und viele andere – nie auch nur ansatzweise verstehen und glauben werden:
Dass eine natürliche Geburt nicht nur gesundheitlich wertvoll ist, sondern mit der richtigen Vorbereitung ein ekstatisches, nährendes, zutiefst transformierendes Erlebnis sein kann.
Worte kreieren Wirklichkeit
Wenn wir beginnen, den Begriff „Kaiserschnitt“ zu meiden, weil er zu hart klingt – dann tun wir uns selbst und der Menschheit keinen Gefallen damit.
Denn, was wir sprachlich verharmlosen, nehmen wir irgendwann nicht mehr als das wahr, was es ist. Die Bauchgeburt wird leise und schleichend zur Normalität.
Meine größte Sorge ist: Dass irgendwann niemand mehr weiß, wie sich eine natürliche Geburt anfühlt und was sie in einem größeren Kontext für uns Menschen bedeutet. Eine natürliche Geburt sorgt für Liebe und starke Bindungen – kurzum, gesunde Menschen.
Meine Sorge ist, dass Mädchen heute geboren werden – per Kaiserschnitt – und später selbst Kinder bekommen – per Kaiserschnitt – ohne je zu erleben, dass der weibliche Leib selbst gebären kann.
Ohne zu wissen, dass Geburt ein ekstatischer, transformativer und heilender Prozess sein kann und sollte.
Fazit
Sprache kann trösten. Aber Sprache kann auch verschleiern.
Ich wünsche mir, dass wir Frauen ehrlich mit uns selbst sind. Dass wir uns erinnern, lernen und uns gegenseitig dabei unterstützen, wunderschöne, bestärkende natürliche Geburten zu erleben. Das, was sich im Herzen doch auch jede Frau für sich und ihr Kind wünscht.
Ein Kaiserschnitt darf traurig gewesen sein. Oder schön. Oder beides. Aber er bleibt ein operativer Eingriff. Und sollte als solcher sprachlich kenntlich bleiben.
Denn solange wir die natürliche Geburt noch kennen, benennen und bewahren, besteht Hoffnung für glückliche und stolze Mütter und gesunde, starke, bindungsfähige Kinder.