Von der Hausgeburt zur Klinik – und zurück zur Wahlfreiheit
Noch bis weit ins 20. Jahrhundert war es das Normalste der Welt: Frauen gebaren zu Hause, in vertrauter Umgebung, unterstützt von einer Hebamme. Erst mit der zunehmenden Technisierung der Geburtshilfe verlagerte sich das Geschehen in die Kliniken (Schumann, 2012). Heute wird häufig selbstverständlich davon ausgegangen, dass eine Geburt im Krankenhaus stattfinden muss – ohne die Frage nach Alternativen.
Doch Gebären ist keine Krankheit. Die Geburt eines Kindes ist ein zutiefst natürlicher Prozess, der keine Geräte und Kabel braucht, sondern Selbstbestimmung, Schutz und Vertrauen. Ob zu Hause, im Geburtshaus oder in der Klinik – was zählt, ist die freie Wahl und das bewusste Erleben.
Meine Geburtserfahrung im Amalie Sieveking Krankenhaus
Ich habe meine Zwillinge im Evangelischen Amalie Sieveking Krankenhaus in Hamburg-Volksdorf geboren – auf natürlichem Weg, nach drei Kaiserschnitten. Diese Entscheidung war keine leichte. Viele Kliniken hatten mich zuvor abgelehnt, obwohl ich gesund war, mich intensiv vorbereitet hatte und genau wusste, was ich wollte: meinen Kindern den natürlichen Weg durch den Geburtskanal ermöglichen, weil dies einfach natürlich ist!
Das Amalie Sieveking Krankenhaus war die einzige Klinik, die bereit war, mich auf diesem Weg zu begleiten – respektvoll, offen, kompetent. Ich wurde gesehen, nicht als Risiko, sondern als Frau mit Erfahrung, Bewusstsein, Mut und einem tiefen Wunsch nach einer natürlichen Geburt. Dafür bin ich sehr dankbar.
Diese Erfahrung hat mein Vertrauen in meinen Leib und in eine menschliche Geburtshilfe nachhaltig gestärkt. Und sie zeigt, was möglich ist, wenn nicht nur medizinische Standards entscheiden, sondern auch Beziehung, Mut und eine große Portion Menschlichkeit!
Geburtshäuser in Hamburg – getragen gebären
Hamburg verfügt über mehrere etablierte Geburtshäuser. Hier steht die Hebamme im Zentrum des Geschehens, nicht die Maschine. In geborgener Atmosphäre können Frauen mit einer gesunden Schwangerschaft ihr Kind auf natürliche Weise gebären. Studien zeigen, dass geplante Geburtshausgeburten bei entsprechender Betreuung mit besseren Ergebnissen einhergehen als Klinikgeburten (Hodnett et al., 2013).
Besonders wichtig ist, dass sich die Frau wohlfühlt und auf ihre Intuition hört. Die persönliche 1:1-Betreuung, die unter der Geburt nachweislich Stress reduziert, die Geburtsdauer verkürzt und Interventionen wie Schmerzmittel oder operative Entbindungen deutlich seltener notwendig macht (ebd.).
Außerhalb von Hamburg – Die Filderklinik
Ein Leuchtturm der selbstbestimmten Geburtshilfe ist die Filderklinik bei Stuttgart. Hier dürfen auch Frauen mit sogenannten „Risikosituationen“ (Beckenendlage, Zwillinge, Geburten nach Kaiserschnitt) auf Wunsch spontan gebären – unter der Voraussetzung, dass der individuelle Verlauf dies zulässt und das Vertrauen zwischen Hebammen, Ärzt*innen und Gebärender vorhanden ist.
Mit einer Kaiserschnittrate von nur etwa 14 % liegt die Klinik deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von rund 30 % (Filderklinik, 2021). Diese Zahlen sind kein Zufall, sondern Ausdruck einer Geburtshilfe, die Weiblichkeit nicht kontrolliert, sondern begleitet.
Die Hausgeburt – vertraut, ursprünglich, unterschätzt
Die Hausgeburt war über Jahrhunderte hinweg der selbstverständliche Geburtsort. Erst mit der Einführung der stationären Geburtshilfe in der Mitte des 20. Jahrhunderts wurde sie zunehmend verdrängt (Schumann, 2012). Heute wird oft reflexartig davon ausgegangen, dass eine Geburt in der Klinik stattfinden müsse – als wäre das die einzig sichere Möglichkeit.
Doch das ist ein Irrtum. Zahlreiche internationale Studien belegen, dass geplante Hausgeburten bei gesunden Schwangerschaften, ebenso sicher, wenn nicht noch sicherer, sind als Klinikgeburten – bei deutlich weniger medizinischen Eingriffen, geringerem Stresslevel und oft intensiverer Bindungserfahrung (Roth & Henley, 2012; Hodnett et al., 2013).
Das Zuhause bietet nicht nur eine intime, vertraute Atmosphäre – es schützt auch die hormonellen Abläufe, die eine Geburt fließend und sicher gestalten: Oxytocin, Endorphine, das Zusammenspiel von Atmung und Geburtswellen können sich ungestört entfalten. Genau wie andere Säugetiere ziehen sich auch gebärende Frauen instinktiv an sichere, ungestörte Orte zurück, wenn der Geburtsprozess beginnt.
Natürlich ist eine Hausgeburt nicht für jede Situation geeignet. Aber sie ist für viele Frauen eine zutiefst stimmige, sichere und kraftvolle Wahl.
Die Tatsache, dass die Hausgeburt heute oft als „Ausnahme“ oder gar „Risiko“ gilt, ist Ausdruck einer kollektiven Entfremdung vom natürlichen Geburtsprozess – nicht Ausdruck einer objektiven Gefahrenlage. Es ist an der Zeit, das Vertrauen in den weiblichen Leib und das Gebären nicht länger institutionell zu begrenzen, sondern individuell zu ermöglichen.
Fazit: die Geburtsort-Wahl sollte bewusst getroffen werden
Ja, Frauen können heute zwischen verschiedenen Geburtsorten wählen. Doch echte Wahlfreiheit beginnt nicht mit Optionen – sondern mit Bewusstheit. Mit dem Mut, Fragen zu stellen. Mit dem Vertrauen, das eigene Empfinden ernst zu nehmen. Und mit dem Willen, Entscheidungen nicht aus Angst, sondern aus innerer Klarheit und zum Wohle des Ungeborenen und sich selbst zu treffen.
Meine eigene Geburtserfahrung – eine natürliche Zwillingsgeburt nach drei Kaiserschnitten – hat mir gezeigt, dass vieles möglich ist: Wenn wir nachfragen. Wenn wir spüren, was stimmig ist. Und wenn wir bereit sind, auch unbequeme Wege zu gehen.
Deshalb lade ich jede Frau ein: Fühle hin. Informiere dich. Sprich mit Hebammen. Sprich mit erfahrenden Müttern. Sprich mit Expertinnen auf dem Gebiet der natürlichen Geburt. Besuche Kliniken. Und entscheide aus dir heraus. Denn Geburt gelingt dort, wo du dich sicher, getragen und gesehen fühlst – nicht dort, wo andere meinen, was richtig für dich ist.
Ob Hausgeburt, Geburtshaus oder Klinik: Du darfst und sollst frei wählen. Weil du es so willst und entscheidest.
Literaturverzeichnis
- Filderklinik (2021). Geburtshilfe mit Neugeborenen-Intensivstation. Jahresbericht der Abteilung Geburtshilfe. Filderstadt.
- Hodnett, E. D., Gates, S., Hofmeyr, G. J., & Sakala, C. (2013). Continuous support for women during childbirth. Cochrane Database of Systematic Reviews, Issue 7.
- Roth, L. M., & Henley, M. M. (2012). Unequal Motherhoods: Comparing Birth at Home and in Hospitals. Sociological Forum, 27(3), 502–523.
- Schumann, M. (2012). Die Institutionalisierung der Geburten in der Bundesrepublik 1950 bis 1975. Auswirkungen auf den Hebammenberuf. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.